30. September
Um 7:00 Uhr war ich gezwungen, mein Lager zu verlassen. Frühsport für die Schüler war angesagt und so etwas geht nicht leise von dannen, sondern wird unterlegt mit aus Lautsprechern krächzender Musik und einer Stimme die immer wieder zählt und zählt und zählt „wu liu qi ba yi er san si“. Der Schulhof ist übersäht mit Kindern, ich beobachte sie aus meinem Fenster, aber nach einer Weile muss ich wegtreten, denn ich war wesentlich interessanter als das morgendliche Training. Auf dem Weg zu Zähneputzen, ich muss über den ganzen Schulhof zu den Wasserhähnen, bin ich eine Attraktion. Die Kinder fahren heute nachhause, denn morgen also am 1.Oktober ist Nationalfeiertag und deshalb haben alle die restliche Woche frei.
Um 8:00 Uhr fahren Carl und ich mit dem Mathelehrer nach Fu Gong, um uns bei der Polizei zu melden. Zwei Polizisten in grüner Uniform stehen vor der Wache. Außer uns dreien wollen noch zwei Typen der üblen Sorte dorthin. Ihre Hände und Füße sind schwarz vor Dreck und ihre Kleidung ist verloddert. Sie riechen stark nach Alkohol und Straße. Als der eine Polizist sie anspricht, sind sie augenscheinlich nicht in der Lage zu antworten. Ich kann die Mimik des Polizisten nicht ganz deuten, traue mich auch nicht ihn zu lange anzustarren. Der beamte nimmt die beiden mit in die Wachstube. doch die Tür ist nicht geschlossen und ich kann sehen. wie der Polizist dme einen mit der flachen Hand ins Gesicht schlägt. Ich wende meinen Blick ab. Die wollten nicht, dass die laowei (Ausländer) das sehen. Hier ist eben alles anders. Herr Hahl hatte uns noch ausdrücklich gewarnt, auf garkeinen Fall zu versuchen, die Polizei zu bestechen. Es wären zwar alle korrupt, aber für einen Ausländer kann das ganze viel schlimmere Folgen haben. Wegen des morgigen Feiertags arbeitet die Polizeiverwaltung schon heute nicht mehr. Der Mathelehrer meint, wir sollten uns in zwei Stunden wieder treffen, er müsse jetzt zu einem „tax“. Später stellte sich heraus, dass er „test“ gemeint hat, nämlich seine Motorradführerscheinprüfung. Ich wollte nur noch duschen und zwar schnell. Dafür brauchte ich aber noch Latschen, die ich in diese wiederliche Pilzgrube anziehen konnte. Erst nach 1 1/2 Stunden fand ich welche im Supermarkt. Als wir dann aber in dem Hotelinnenhof ankamen und die Besitzerin vom balkon aus zu uns runterschaute, wurde mir klar, dass ich heute hier nicht duschen werde. Sie sagte irgendwas von wegen kein Wasser. Wenn der Schulleiter mitgewesen wäre hätte ich bestimmt duschen können. Aber hieer ist das eben anders. Hier tust du für deine Freunde und Familie alles. Aber für einen Fremden rührst du keinen Finger extra. Diese ganze Reise über, hat man schon sehr deutlich gemerkt, dass eigentlich die ganzen Abläufe im Hintergrund geschehen. Wir hatten nie die Möglichkeit irgendetwas selber in die Hand zu nehmen. Sogar das Geld ist uns getauscht worden. Und für unsere chinesischen Handykarten wurde ein Mobiltelefon- Händler ins Hotel gerufen, der dann eine Auswahl mitbrachte, aus der wir wählen durften. (Bei den chinesischen SIM- Karten braucht man keine Pin- Nr.)
Am Straßenrand kaufte ich bei einem alten Ehepaar solche Teigdinger, die die Form eines Brötchens haben, aber ganz weich und mit einer süßen Füllung sind. Die Frau nahm sie direkt von ihrem kleinen Ofen herunter, dann sind sie auch noch schön warm. Ich kaufte mir auch noch ein Paar Schuhe, aus blauen Stoff mit pinken Blumen drauf. Wie ich später herausfand, sind das Schuhe der Bai, eine der Minderheiten hier. Ich konnte den Preis von 20 auf 15 Yuan herunterhandeln. Und an einem Obststand bezahlte ich für 6 Orangen zehn Yuan, einen euro, also viel zu viel. Und wen treffen wir noch zufällig auf der Straße? Jannik mit Begleitung! Sie hatten letzte Nacht den Bus nicht mehr bekommen und mussten deshalb in Fu Gong in einem Hotel übernachten.
Wir waren zu früh am vereinbarten Treffpunkt und sahen den Mathelehrer stolz auf seinem Motorrad sitzen, aber er fuhr ganz langsam an uns vorbei, ohne uns zu bemerken. Ich glaube, er hat nach jemand anderem Ausschau gehalten oder wollte einfach nur ein bisschen rumcruisen. Naja, er kam kurz darauf wieder und entschuldigte sich gleich, dass er zu spät sei. Das Moto mit Carl und mir fährt dem Mathelehrer auf seiner Karre hinterher. Ich bin mal gespannt, wann wir es ohne Hilfe ins Dorf und wieder zurück schafffen. Die Kinder wuseln auf dem Schulhof umher, sie werden gleich nachhause fahren. Aber zuerst muss sich noch in ordentliche Reihen aufgestellt werden. Es wird irgendetwas gerufen was ich nicht verstehe und dann laufen die Kleenen freudeschreiend und lachend aus der Schule.
Wang laoshi (alias Jonny), der Schulleiter unserer Schule "La Jia Mu Di":
Der Mathelehrer ( Anpeng):
Carl und ich am Schultor:
Die nächsten zwei Stunden verbringe ich damit meinen Raum zu einem wohnlichen Zimmer zu machen. Ich befreie die Möbel von Staub und fege den Boden, wobei man Acht geben muss, sonst wirbelt man mehr als man fege kann. Ich habe einen Schreibtisch in meinem Zimmer, hätte ich nicht gedacht und einen Tisch, der jetzt mein Waschtisch ist. Dann habe ich hier noch eine sehr gemütliche Holzbank und einen wackeligen Stuhl, den ich aber sehr mag. Später am Nachmittag haben Carl und ich jeder noch einen sehr großen komfortablen Ledersessel ins Zimmer gestellt bekommen. Bei mir dient er allerdings als die eine Befestigung meiner Wäscheleine. Das andere Ende ist an dem Bettgestell befestigt, welches aufrechtgestellt auch als Halterung für meine Wasserfilter und meinen Wäschebeutel dient. Ich hätte nie gedacht, dass ich ein derart schönes Zimmer haben werde. Die Hitze macht einem ziemlich zu schaffen. Gegen Abend wir dem Englischlehrer seine erste Englischstunde. Er spricht ja bereits ein wenig, ist aber aus der Übung. Wir beginnen damit “Father and Son“ von Cat Stevens zu lesen. Später will ich versuchen rauszubekommen, wie man die Adresse dieser Schule schreibt. Ich sitze 20 Minuten bei dem Mathelehrer und dem Schulleiter und wir diskutieren, wie man das macht. Typisch! Als ich mit dem vermeintlich richtigen Ergebnis unten bei Carl sitze, kommen die zwei nochmal an, um mir die Adresse wieder anders zu geben, lustig! Ich habe keine Ahnung, wie man die jetzt schreibt und ich glaube die wissen es auch nicht.
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