Welcome to my new life, my second life! I hope you will enjoy discovering China together with me!

Dienstag, 2. Dezember 2008

26.Oktober Aus Fassaden sind Gesichter mit einem Charakter geworden. Wenn ich an die ersten Tage denke, in denen ich hier an der Schule war, dann kamen mir alle Lehrer als die gleichen freundlichen, hilfsbereiten Menschen vor. Sie sahen alle sehr ähnlich für mein Empfinden aus und gaben sich auch alle in der gleichen Art und Weise so schien mir. Saßen wir an meinem Geburtstag mit den Lehrer zusammen, konnte ich am nächsten Tag nicht bestimmen, wer dort mit mir getrunken hat oder mir gegenüber saß. Aber mit der Zeit da lernt man erst den einen dann den anderen näher kennen. Einige fallen mir auf, weil sie mir bei dem Verständnis der chinesischen Sprache behilflich sind. Eine andere trägt ausgefallendere Kleidung. Die nächste ist immer sehr kopfgesteuert und auf eine makel- und spaßlose Erscheinung bedacht. Eine schreit immer laut umher, wenn sie spricht. Einer hat eine Zahnlücke. Einer raucht, zusammen mit der Zahnlücke sind sie die einzigen Raucher, nein Carl auch noch. Eine hat eine raue Stimme. Eine geht mit mir immer pinkeln, wenn gesoffen wird. Eine wohnt immer hier, auch an den Wochenenden und sie hat eine eineinhalbjährige, ganz entzückende Tochter. Dieses Kind hat aber nicht nur eine Mutter, sonder gleich fünfzehn und dazu noch mindestens fünf Väter! Und eine ist XX. Und eine ist religiös und sehr ruhig, aber deshalb nicht langweilig. Einer ist etwas beleibter und schaut grimmig drein, ist aber ein sehr lieber Kerl. Einer ist etwas beleibter und ein kleiner Strahleman. Und dann noch XX Mann, der Carl etwas suspekt war. Und dann findet man eine Freundin. Einige bekommen nun rote Augen, wie man hier zu neidvollen Menschen sagt. Dass erzählt natürlich auch viel über einen Menschen. Sie wollen alle unsere Freunde sein. Ich mag auch alle sehr gerne, aber mit einigen versteht man sich dann eben ein bisschen besser, als mit anderen. Jeder einzelne von den Menschen mit denen ich hier lebe, hat ein Aussehen bekommen. Gezeichnet durch den Charakter, Antipathie und Sympathie und Taten. Jeder dieser Menschen sieht für mich inzwischen so einzigartig aus, wie die Menschen in meiner Heimat. Sie sind hier meine Freunde meine Familie, ich lerne von ihnen und ich möchte keinen von ihnen missen. Gemeinsam prägen sie mich und mein Leben in China.

Ein Mensch kann ein kleines Herz haben, ein Mensch kann ein großes Herz haben.


Bei einer Hauseinweihungsparty:


Lisen, ein Englischlehrer von der Mittelschule in Fu Gong. Er ist leidenschaftlicher Steinesammler und präsentiert hier grade seinen neusten Fund.

Hier bin ich mit einer Lehrerin bei ihr zu hause in Liso- Tracht.

Das sind das niedlichste Kind, Ani, beides Kinder von Lehrer und ich, Anni.

Hier sind wir an einer Schule in der Nähe von Fu Gong, bei einem "Picknick":

Montag, 1. Dezember 2008

Heute ist ein ganz besonderer Dienstag: Heute ist der Ausflugstag! Mein Unterricht fällt aus, denn man hat sich vorzubereiten. Das Holz für die Feuer muss gesammelt und geschnürt werden, die Salatköpfe, Orangen und Reispackete wollen auf ihre Träger aufgeteilt werden. Die Bierkartons müssen auf den Tracktor geladen werden, so auch Stühlchen, Höckerchen und Tischchen. Dann ziehen wir los! Die Fahnenträger einer jeden Klasse, ihren Mitschülern vorne weg, die Lehrerinnen mit einem Schirmchen gegen die Sonne bewaffnet nebenher und die Herren fahren an unserem Aufzug mit den Motorrädern auf und ab. Auch ich trage einen ganz entzückenden Schirm, rosafarben mit weißem Rüschenrand. Ein Mädchen hatte ihn mir von Xiao gebracht, die hundert Meter hinter mir lief. Unser Ziel ist eine Art Strand am Rande des Nu Jiang. Dorthin gelangt man, wenn man nach einer Stunde Fußmarsch in der senkenden Sonne, von der Straße abbiegt und auf den schmalen Betonwasserfurchen der Reisfelder den Berg hinuterbalanciert. Dann kommt man auf dem untersten Feld an. Der Reis ist in diesem Jahr bereits geerntet. Deshalb bieten diese trockenen Felder die ideale Feuerstelle!? Ich hab mich gewundert, warum kein Flächenbrand ausbrach. Aber die Steine um die Feuer haben ihren Dienst wohl gut gemacht. Die Kinder kochen, holen Wasser, liegen in der Sonne, spielen an dem Strand, den es wirklich gibt und genießen diesen Tag. Das Lehrerpack, mich eingerechnet, hat sich die Schattenplätze unter den Bäumen gesichert und spielt nun an den Tischchen Spiele und betrinkt sich. Die Oberschulleiter aus Fu Gong kommen auch an und wollen Spaß haben. Ein entspannter Tag.
Auf dem Rückweg lerne ich von Xiao den Anfang eines Liso- Lieds und wir stellen fest, dass die Kinderlieder in China und Deutschland die gleichen sind, eben nur auf jeweils anderer Sprache.
Xiao Xiao he wo:

Am Samstag mittag werden die Schüler ins Wochenende entlassen. Jede Klasse steht in einer Reihe, alle Schüler anständig vor dem Flaggenmast, an dem die chinesische Flagge im Wind weht. Aber jetzt steht die Flaggenparade an. Übers Wochenende wird sie nicht sichtbar sein, erst am Montag wieder, wenn sie in der Parade hochgezogen wird. Ich stehe bei den Lehrer rum und gerate in eines dieser „wir wissen ein paar englische worte und du ein paar chinesische - Konversation“. Die junge Frau des Schulleiters kann ein paar Wörter und versteht noch mehr. Sie freut sich sehr, als ich ihr anbiete, ihren Wortschatz zu vergrößern. Als ich mitteile, dass ich heute in Fu Gong solche Schuhe kaufen will, wie sie welche hat, natürlich völlig ohne Hintergedanken, es bringt ja total Spaß mit Anpeng in der Gegend rum zu laufen, sagt sie, dass sie mir einen guten Laden zeigt und wir fahren los. Wunderbar! Während wir so durch die Stadt laufen, ich endlich mit trockenen Füßen (ich hatte ja nur diese Stoffschuhe und die Straßen sind vom Regen nass, was bedeutete auch meine Schuhe und Füße), erzählt sie mir von ihren zwei Zuhause. Das eine ist das Haus ihrer Mutter. Dort ist sie aufgewachsen. Allerdings sah es nicht immer so groß und gut gebaut aus wie heute. Man hatte in den Jahren an- und neubauen können. Ihre Mutter ist eine Geschäftsfrau, die mit Fleisch handelt. Sie hat fünf noch lebende Geschwister. Als sie, die Mutter, ein kleines Mädchen war, hatten ihre Eltern, die Bauern waren, viel zu wenig Geld für Kleidung, Medizin oder Ausbildung. Es sind also einmal zehn Geschwister gewesen, von denen vier gestorben sind. Ihr früher Tod ist auf die eben aufgezählten Mängel zurückzuführen. Xiaos Mutter kann auch heute nicht lesen oder schreiben und trotzdem läuft ihr Fleischhandel gut. Der dazugehörige Mann ist in diesem Jahr verstorben. Er war wahrscheinlich Alkoholkrank. Jedenfalls erzählte Xiao mir einmal, dass er viel zu viel getrunken hat und sein Körper deshalb kaputt ging. Von ihrem Vater kennt sie das Lied „Bella Ciao“, die chinesische Version. Es sei sein Lieblingslied gewesen. Ihr zweites Zuhause liegt ebenfalls in Fu Gong. Es ist das Haus der Eltern ihres Ehemanns. Xiao und Mu haben vor einem Jahr geheiratet, da war Xiao gerade 22 Jahre. Dieses zweite Zuhause ist ganz wunderbar! Mus Eltern sind zwei liebenwürdige alte Menschen, vom Leben gezeichnet. Der Opa, ja auf Liso heißt er auch Opa, wie bei uns, hat als Schneidezahn einen silbernen Bolzen im Mund und wenn er dann so freundlich lacht, dann sieht das sehr ulkig aus. Die Oma ist wunderschön! Aber leider hat sie irgendwas mit dem Magen und kann noch nicht mal mehr bis zur Kirche gehen, aber sie geht oft mit ihren langsamen Schritt in die Stadt, um irgendwas zu besorgen. Sie isst nur noch den Reisbrei und andere Kleinigkeiten. Wenn ich auf der Bank sitze und an einem ihrer gerösteten Maiskolben knabbere, dann spricht sie mit mir und will wissen, ob meine Mama mich anruft und wie alt meine Eltern und mein Bruder sind und ob ich meine Familie vermisse und ob ich denn auch eine Oma und einen Opa habe und ach, wie weit ich doch von zu hause weg sei! Und was bitte solle sie nur machen, sie kann kein englisch sprechen, wie soll sie denn nur mit mir reden? Leider spricht sie nur Liso, was heißt ich verstehe kein Wort von dem was sie sagt, denn die Worte sind nicht die des Hochchinesischen. Xiao und ihre Tanten müssen dann übersetzten. Auch der Opa würde gerne ein Gespräch mit mir führen, aber auch er spricht nur Liso. Ich habe mich geehrt gefühlt, als Xiao mir diese Worte von ihm übersetzte. Als erstes betritt man einen kleinen überdachten Hof. Hier werden die Speisen zubereitet, gekocht und gegessen. Rechts befindet sich die Feuerstelle. Ja hier wird noch über dem offenen Feuer gekocht. Drumherum stehen Hocker und Kochtöpfe und Kessen. Dahinter liegt der Hühnerstall, das heißt es stehen zwei Holzverschläge an der Mauer mit Hühnern drin. Geradeaus steht ein großer Holzklotz auf dem ein Brett liegt. Auf ihm wird Hackfleisch gehackt, Fleisch und Gemüse klein geschnitten, alles mit einem großen, schweren Hackebeil. Auf der linken Seite neben dem Hackklotz steht ein Schränkchen, in dem das Geschirr steht. Ach ja, einen Kühlschrank habe ich auch gesehen, allerdings im Wohnzimmer. Das eigentliche Haus liegt hinter der beschriebenen Szenerie. Außen, auf der Seite auf die man blickt, wenn man durch das Eingangstor tritt, führt eine Treppen in den zweiten Stock. Die Außentreppen sind hier der traditionelle Baustil. Xiao und Mu gefällt er nicht besonders. Für ihr Traumhaus, auf das sie sparen, wurde ich gebeten unser Haus aufzuzeichnen, mit Treppen innerhalb des Hauses, der Räume. Im ersten Stockwerk, das in Deutschland und auch nur in Deutschland Erdgeschoss heißt, befinden sich zwei Schlafzimmer, das Wohnzimmer, in dem der Fernseher ohne Unterbrechung läuft und ein Zimmer, das sowohl Waschküche und Gemüse- und Obstlager und Toilette und Dusche gleichzeitig ist. Die Dusche ist ein deutsches Fabrikat, wie ein Aufkleber stolz verkündet. Die Lebensmittel liegen auf der einen Seiten in Regalen, auf der anderen Seite steht die Waschmaschine. Die sehen hier anders aus: es ist eine offene Sache, die die Wäsche einfach nur ein bisschen im Wasser rumdreht. Dahinter ist ein gefließtes Loch im Boden, die Toilette. Darüber hängt die erwähnte Dusche, welche sehr gut funktionieren soll! Und der Boden ist bedeckt mit Plastikschüsseln und Metallschalen. Wenn es draußen heiß ist, herrscht hier drinnen eine angenehm feuchte Kühle. Durch das Fenster kann der Nachbar bequem reinschauen, denn die Verpackungen, sie einmal als Sichtschutz an die Scheiben gepappt wurden, hängen müde herunter. Im oberen Stockwerk sind weitere Schlafzimmer. So ein Schlafzimmer ist übrigens auch nicht uninteressant. Es ist bis an die Decke vollgestopft mit Zeug, das meiste sind Kleidungsstücke und andere Stoffsachen. Quer durch die Zimmer sind Leinen gespannt, auf denen auch Kleidung herunter hängt, man kann also nicht wirklich bis ans andere Zimmerende gucken. Das Zimmer von Xiao und Mu ist dagegen ziemlich „kahl“, dafür hängen an den Wänden Fotos der beiden an ihrem Hochzeitstag. Auf diesen Bildern erkannt man die zwei kaum wieder! Kitschig und gestellt, aber irgendwie sehr niedlich! Herrlich gemütlich ist dieses Zuhause, ich liebe es hier! Mu hat noch mindestens zwei Schwestern. Mindestens, weil man weiß ja nie, wer da noch so ankommen wird. Die beiden haben Kinder, die auch hier wohnen. Auf einem meiner Fotos kann man eine Tochter in ihrer Liso Kleidung sehen!An einem Nachmittag sitzen wir Frauen an dem kleinen Tisch in der „Küche“ und machen Jiaozi. Die kann man ungefähr mit Tortolini (wie schreibt man das?) vergleichen, nur dass sie viel aufregender sind und besser schmecken. In kleine, runder Teigfladen füllt man zum Beispiel etwas Hackfleisch mit Schnittlauch, faltet das ganze und drückt die Seiten so fest, dass sie nicht mehr aufgehen. Ich wurde während unserer Beschäftigung die ganze Zeit für meine hübschen Jiaozi gelobt. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht mit den Frauen um den Tisch zu sitzen und diese Dinger zu formen.





Heute haben wir zum ersten Mal die Kinder unterrichtet. Am Vormittag hatte ich die erste Klasse, mit sechzehn Schülern. Wir haben den Good- Morning- Song gesungen und mit den Zahlen angefangen. Die arme, arme Anni war noch so fertig vom gestrigen Abend. Ein Bubbi ist so niedlich, mit ihm werde ich nie böse sein können. (Ich merke erst später, dass die kurzen Haare mich aufs Glatteis geführt haben, der Bubbi ist ein Mädel). Und ein Mädchen hat sich immer getraut als erste etwas zu sagen und tat sich so mutig hervor. Ich bin mir sicher, dass sie später einmal eine selbstbewusste, impulsive Frau wird, die ganz genau weiß was sie will. Am Nachmittag habe ich einer meiner fünften Klassen. Insgesamt habe ich vier fünfte Klassen und die erste. Die älteren waren anfangs sehr viel verklemmter. Aber ich habe es geschafft, dass sie ihren Namen sagen, wenn ich sie frage wie sie heißen. Mir wurde von anderen, die bereits unterrichtet haben gesagt, wenn man mit Whats your name und my name is ... anfängt, dann heißen plötzlich alle Anni (wenn man seinen eigenen Namen als Beispiel anführt). Die gängige Unterrichtsmethode sieht wie folgt aus: Der Lehrer schreit etwas und die Schüler schreien nach. Ab und zu wird etwas abgeschrieben und auswendig gelernt. Der Lehrer, der jetzt draußen in der Sonne sitzt, lässt sich die Hefte bringen und während das Geschriebene korrigiert wird, steht der Schüler daneben und sagt ( brüllt) das gelernte aus voller Kehle. Während des Auswendiglernens wird auch gebrüllt, als würde es dadurch schneller in die Gehirnwindungen gepresst. Dementsprechend stelle man sich den Lärmpegel vor! Den ganzen Tag, von morgens um 7:00 Uhr bis abends um 21:00 Uhr. An Hanna und Janniks Schule warten die Schüler die meiste Zeit, dass der Lehrer vom Rauchen oder Telefonieren wieder zurückkommt. Sowas gibt es bei und nicht. Nur den Mathelehrer, der im Unterricht direkt im Raum raucht. Auch wird hier nicht jeden Abend gesoffen, wie bei den anderen beiden an der Schule. Nur manch eine Nacht wird von dem Brummen Anpengs Motorrad zerrissen, wenn er von seinen kleinen Saufkumpanen heimkehrt. Bevor Carl und ich hier her kamen, gab es nur die Unterrichtsfächer Chinesisch, Mathematik, Wissenschaft und Sport. Für das Fach Wissenschaft gibt es allerdings nur eine Lehrerin und bei vier fünften und vier sechsten Klassen, können das nicht allzuviele Stunden Wissenschaft in der Woche sein. Bei dieser Fächervielfalt wundert man sich da noch, warum die Chinesen alle so gut in Mathe sind? Die machen ja kaum anderes! Und Taschenrechner sind zu teuer, das ist ein versteckter Vorteil, denn dann rechnet man 1,5 / 3 *7 eben so im Kopf! Mit uns sind wir hier jetzt sechsundzwanzig Lehre. Und die Fächer Englisch und Kunst sind hinzugekommen. Nur werden wir anfangs kein Kunst Unterrichten, weil wir weder Stifte noch Papier noch Scheren, Klebe oder Pappe haben. Und Dinge aus Müll basteln wird unseren Mastern nicht gefallen, das sieht ja aus , als hätte man kein Geld für Bastelsachen! Ach was! Aber mit meiner ersten Klasse kann ich einigermaßen Kunstunterricht machen. Die Hälfte der Kinder hat bunte Filzstifte. Und wenn wir eine Schere brauchen, dann können wir uns mein Lillifee- Exemplar geradeso noch teilen. Dass die Kinder in die Schule zurückgekehrt sind wurde langsam höchste Zeit! Wir stehen sonst im Dreck. In jeder Pause wird gefegt und gefeudelt und aufgesammelt. Dann ist alles sehr sauber und aufgeräumt. Natürlich bedeutet sauber hier immer noch etwas anderes als in der Louisenstraße in Eckernförde! (Ein kleiner Nachtrag nachdem ich einen Monat hier bin: Mir kommt es wahrhaftig sauber vor!) Aber das Erstaunliche ist eigentlich, dass diese zehnjährigen wirklich den Dreck wegfegen und nicht einfach drüber wischen und das sie dies ohne zweite Aufforderung tun. Jaja, es sind schon gute Arbeitskräfte. Andauernd tragen sie einem Lehrer sein Handy oder seinen Schlüssel nach und als Anni einen dritten Tisch in ihrem Zimmer brauchte, trugen ihn zwei Schüler dire Stockwerke empor, genauso wie die Englischbücher.
Der Tisch:
5.Oktober, Sonntag

Der Tag vergeht, ohne Besonderheit. Gegen Abend kehren die Kinder zurück und der Unterricht fängt um 18:00 Uhr an. Carl und ich gucken einen Film bei mir, aber so gut wie ohne Ton, denn die Klasse neben an schreit mal wieder laut ihrem Lehrer nach.
Um 21:00 Uhr kriege ich eine Happy- Birthday-SMS von Anpeng. Und einen Anruf von der Dolmetscherin von Herrn Hahl, die mich fragt, ob der Schulleiter mir meine Geburtstagstorte schon überreicht hat. Nein ha er nicht. Dann solle ich ihm doch bitte noch etwas Zeit zum vorbereiten geben.
Eine Stunde später ruft Anpeng uns an, wir sollen ins Lehrerzimmer kommen.
Als ich eintrete erwartet mich eine Überraschung: Auf dem langen Tisch stehen eine riesige Sahnetorte und Bierflaschen und guazi. Es wird ein Ständchen gesungen und die Kerzen angezündet. Aber was für eine Kerze auf der Torte ist: Eine geschlossene Blüte, die sich unter dem Geduddel der Happy- Birthday- Melodie, ihre Blütenblätter öffnet, auf der jeweils eine weitere kleine Kerze stecken. Die Blumetöne konnten den ganzen Abend nicht mehr ausgestellt werden, bis Anpeng sie auf den Boden fallen ließ, wobei sie allerdings nur einen materiellen Schaden nahm, aber noch nicht vorgehabt hatte zu duddeln aufzuhören. Nein, erst als er versuchte sie zu reparieren, fing das gute Stück an zu stottern und irgendwann ganz auf zu spielen. Nachdem ich die Tortenstücke ausgeteilt habe, beginnt das Gesaufe. Alle möchten mir gratulieren und uns willkommen heißen. Jetzt trinkt man mit jedem dieser Gratulanten ein Gläschen auf Ex, da wird man schnell sehr betrunken. Dann beginnen sehr einfache Saufspiele, wie zum Beispiel „SchereSteinPapier“, der Verlierer muss exen. Oye, ich kann dir sagen...!
Nur noch dunkel erinnere ich mich wie mich die Frauen in mein Zimmer begleiten und Anpeng den Rest meiner Torte hinterherträgt. Heute sind alle sehr gaoxing! Übersetzt heißt das glücklich, aber gemeint ist, alle sind sehr betrunken!

(Der Tortenrest stand noch eine Woche in meinem Zimmer und die „Sahne“ hat sich geruchs- und geschmackstechnisch in keinsterweise verändert...)
Auf diesem Balkon halten wir Lehrer (hahah) uns auf . Das ist das niedlichste aller Kinder, mit riesen Augen ruft es mir immer "Hello" hinter her, manchnal auch "hello aunti", jüngere Menschen nennen ältere Menschen, die sie kennen Tante, bzw. Onkel, auch wenn man nicht verwandt ist.



Wir besuchen Jannik (ganz rechts am Bildrand) und Hanna in ihrer Schule. Man fährt dort nicht alleine hin, sondern mit anderen Lehrern von unserer Schule: In der Bildmitte ist Wang laoshi, unser Schulleiter. Laoshi bedeutet übrigens Lehrer. Ich bin Anni laoshi. Allerdings heißt wang laoshi jetzt Jonny! Bei einem Essen bat er uns um einen englischen Namen und ich taufte ihn Jonny. Dieser Name fiel mir spontan ein, doch wir merkten bald, dass er sehr gut zum Charakter von Jonny selber passt!

















Die la jiao, Chillischoten, hängen oft in Fenstern oder an Türeingängen. In Geschäften oft aus Stoff. In vielen Gemüsegerichten findet man dutzende dieser Schoten, wer will kann sie mitessen, aber auch die Chinesen legen sie lieber zur Seite. Wenn man sein Essen schärfen will, dann greift man lieber zu einer der Pasten, die aus einem Pulver mit Wasser angerührt sind. Hier wird meist schärfer gekocht als bei uns, aber es schmeckt trotzdem sehr gut und die Reichhaltigkeit übertrifft die deutsche Speisekarte bei weitem.

Auf dem untersten Bild ist der Nu Jiang zu sehen. Er ist einer der drei Parallelenflüsse.

2.Oktober

Um 9:00 Uhr stehen Carl und der Mathelehrer vor meiner Tür, denn M. will jetzt abends und morgens Unterricht kriegen. Dann muss ihm wohl unser Unterricht gefallen.

Es war ziemlich anstrengend zu unterrichten, wenn man nichts vorbereitet hat. Und noch kann ich mir nicht vorstellen, wie wir die Kinder ganz ohne chinesische Übersetzung Englisch lehren werden. Jede Erklärung wird zur riesigen Hürde! Also viel Geduld!



Herr Hahl ist zu Besuch. (Herr Hahl ist der Mann von Frau Qian und für die ersten Monate unsere Ansprechperson)
Zusammen mit der Dolmetscherin und noch drei anderen. Ganz oben im Gebäude befindet sich ein erstaunlich teuer eingerichteter Konferenzraum, der sehr im Kontrast mit der übrigen Ausstattung der Schule steht.
Wieder lässt der Schulleiter die ärmlichen Wohnbedingungen entschuldigen. Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass ich mein eigenes Zimmer habe, dieses abschließen kann und sogar Möbel darin stehen. Hope for the best.
Expect the worst.
And take what comes.

Mit diesem Gedanken bin ich nach China gekommen. Ich hatte auf ein Zimmer gehofft, auf so eines wie ich jetzt bekommen habe. Ich hatte mit einer Hütte ohne Tür, geteilt mit anderen, gerechnet. Ich habe mehr, als ich erwartete.

Über das Aufladen meiner Handy- PreePaid- Card werden fünfzehn Minuten diskutiert...

Es weht ein kräftiger Wind bei einer angenehm warmen Temperatur. Ich genieße die Luft auf meinem Gesicht, lasse den Wind durch mein Haar fahren... das erinnert mich an den Ostseewind.
Wind, Wind, Wind ich bin süchtig nach dir!
Streue ruhig Sand auf meine Notenzettel, wenn ich vor Carls Zimmer auf dem Boden Gitarre spiele.
Lass mich die Alkoholfahne der Männer, die auf uns zukommen, schon von weitem riechen. Heute ist der Nationale Feiertag. Heute trinkt man pijiu und baijiu, Bier und Schnaps.

Gegenüber von der Schule verkaufen mehrere kleine Läden Süßigkeiten, Getränke und Fertiggerichte. In einem dieser Läden, kann man für drei Yuan eine Schüssel Nudeln essen. Hier werde ich in dem kommenden Jahr oft einkehren. Der Laden ist nicht viel größer als mein Zimmer, aber er ist Gemischtwarenladen, Restaurant, Fernseh- , Wohnraum und Schlafstätte gleichzeitig.

Die Hunde, die niemandem gehören, stehen wartend auf der Türschwelle. Ab und an werden ihnen Essensreste zu geworfen. Doch kommt nur nicht zu nah, dann treten wir nach euch! Der Ausspruch „reudige Köter“ passt zu diesen armen Kreaturen . Meine Hundeliebe, die in Deutschland noch in mir flammte, ist hier erloschen. Nachts, wenn man sich erleichtern möchte, streichen sie lauernd um einen herum, wie Wölfe. Man hat uns vor ihren Bissen gewarnt.
Ihr Fleisch soll sehr gut schmecken und einen kalten, kraftlosen Körper wärmen und stärken.

Der Mathelehrer ist völlig betrunken und seine englischen Wörter kaum zu verstehen. Heute ist der Unterricht für die Katz, wir machen früher Schluss.

Gegen Abend machen wir zu dritt einen kleinen Spaziergang an der einzigen Straße entlang. Die meisten Leute denen wir begegnen, kennt der Mathelehrer und stellt uns jedem seiner Freunde vor. Er scheint ein bisschen angeben zu wollen, der Gute.
Während wir so dahin spatzieren lehrt er mich chinesische Worte. Carl hat nach eigener Aussage bereits aufgegeben, dieser Sprache je Herr zu werden.


(Solche Schilder hängen in der ganzen Schule. Albert Einstein wird auch auf einem zitiert.)


Der Schulleiter höchst persönlich bringt mir Pancakes zum Frühstück an meine Zimmertür.

In Fu Gong gebe ich einen Brief an meine Familie auf. Das Aufladen meiner Telefonkarte dauert lächerliche dreißig Minuten. Wozu diese Eile?

Jonny kocht Mittag- und Abendessen für uns. Nudeln mit Fleisch und Gemüse, sehr lecker!


3.Oktober

Wenn ich morgens aufwache und aus meinem Fenster blicke, sehe ich die Wolken, wie sie sich um meine Berggipfel gelegt haben. Manchmal sieht man die Bergspitzen nicht mehr, manchmal scheinen die Wolken auf des Berges halber Höhe hängen geblieben zu sein, umschleiern den Hals der Berge wie ein weicher Seidenschal.
Auf dem Schulhof schwimmen große Blätter in den Pfützen. Auch heute soll es wieder regnen.




4. Oktober

"Stone Hole" (das kleine Loch in der Bergspitze)


Es war einmal vor sehr sehr langer Zeit, da lebte eine Jäger in den Bergen am Nu Jiang.
Er lebte und jagte stets allein und hatte sich nie mit anderen Menschen in Bekanntschaft begeben. Aber eines Tages sah er die Frauen unten am Flussufer auf den Reisfelder arbeiten. Und auf eine von ihnen fiel sein Blick und blieb an ihr hängen. So kam er jeden Tag hinunter zu den Feldern, um sein Mädchen anzuschauen. Seine Anwesenheit blieb nicht unbemerkt. Und auch nicht, dass sein Interesse nur der einen galt. Diese erwiderte seinen Blick, kam aber nie herüber, denn das tat man nicht.
Eines Tages, man war gerade dabei den Reis zu ernten, regnete es, wie es noch nie zuvor geregnet hatte. Und die Ufer des Nu Jiang schwollen an und der Wasserspiegel stieg sehr schnell immer höher und höher. Die Frauen mussten sich in Sicherheit bringen und liefen die Berge hinauf zu ihren Hütten. Diese Gelegenheit ließ sich die Angebetete nicht entgehen, ihren Beobachter aus der Nähe zu betrachten. Denn auch an diesem Tag war unser einsamer Jäger wieder aus den Bergen zu den Feldern hinuntergekommen.
Und während sie sich bekannt machten vergaßen sie die Zeit und auch den Nu Jiang der nun bedrohlich nahe den beiden gekommen war. Da nahm der Jäger sein Mädchen auf seine starken Arme und trug sie den Berg hinauf. Aber das Wasser stieg jetzt immer schneller und sie mussten immer weiter in die Höhe. Die Flut jedoch wollte überhaupt nicht mehr nachlassen. Bald waren sie an der höchsten Stelle des Berges angelangt und konnten nun nicht mehr weiter, da vor ihnen ein steiler Fels emporwuchs, der nicht zu überwinden war. Da nahm der Jäger seine Axt und schleuderte sie mit aller Kraft gegen den unbezwingbaren Fels. Durch dies so entstandene Loch konnten er nun sich und sein Mädchen in Sicherheit bringen. Und sie lebten glücklich zusammen bis an ihr Lebensende. Das „Stone Hole“ blieb bis heute bestehen und erinnert die Menschen an die Kräfte des Nu Jiang, aber auch an die Kraft der Liebe.

(Das ist eine von vielen Versionen, Jonny hat sie uns erzählt.)




Anpeng und ich am "Stone Hole" Aussichtspunkt:




30. September

Um 7:00 Uhr war ich gezwungen, mein Lager zu verlassen. Frühsport für die Schüler war angesagt und so etwas geht nicht leise von dann
en, sondern wird unterlegt mit aus Lautsprechern krächzender Musik und einer Stimme die immer wieder zählt und zählt und zählt „wu liu qi ba yi er san si“. Der Schulhof ist übersäht mit Kindern, ich beobachte sie aus meinem Fenster, aber nach einer Weile muss ich wegtreten, denn ich war wesentlich interessanter als das morgendliche Training. Auf dem Weg zu Zähneputzen, ich muss über den ganzen Schulhof zu den Wasserhähnen, bin ich eine Attraktion. Die Kinder fahren heute nachhause, denn morgen also am 1.Oktober ist Nationalfeiertag und deshalb haben alle die restliche Woche frei.




Um 8:00 Uhr fahren Carl und ich mit dem Mathelehrer nach Fu Gong, um uns bei der Polizei zu melden. Zwei Polizisten in grüner Uniform stehen vor der Wache. Außer uns dreien wollen noch zwei Typen der üblen Sorte dorthin. Ihre Hände und Füße sind schwarz vor Dreck und ihre Kleidung ist verloddert. Sie riechen stark nach Alkohol und Straße. Als der eine Polizist sie anspricht, sind sie augenscheinlich nicht in der Lage zu antworten. Ich kann die Mimik des Polizisten nicht ganz deuten, traue mich auch nicht ihn zu lange anzustarren. Der beamte nimmt die beiden mit in die Wachstube. doch die Tür ist nicht geschlossen und ich kann sehen. wie der Polizist dme einen mit der flachen Hand ins Gesicht schlägt. Ich wende meinen Blick ab. Die wollten nicht, dass die laowei (Ausländer) das sehen. Hier ist eben alles anders. Herr Hahl hatte uns noch ausdrücklich gewarnt, auf garkeinen Fall zu versuchen, die Polizei zu bestechen. Es wären zwar alle korrupt, aber für einen Ausländer kann das ganze viel schlimmere Folgen haben. Wegen des morgigen Feiertags arbeitet die Polizeiverwaltung schon heute nicht mehr. Der Mathelehrer meint, wir sollten uns in zwei Stunden wieder treffen, er müsse jetzt zu einem „tax“. Später stellte sich heraus, dass er „test“ gemeint hat, nämlich seine Motorradführerscheinprüfung. Ich wollte nur noch duschen und zwar schnell. Dafür brauchte ich aber noch Latschen, die ich in diese wiederliche Pilzgrube anziehen konnte. Erst nach 1 1/2 Stunden fand ich welche im Supermarkt. Als wir dann aber in dem Hotelinnenhof ankamen und die Besitzerin vom balkon aus zu uns runterschaute, wurde mir klar, dass ich heute hier nicht duschen werde. Sie sagte irgendwas von wegen kein Wasser. Wenn der Schulleiter mitgewesen wäre hätte ich bestimmt duschen können. Aber hieer ist das eben anders. Hier tust du für deine Freunde und Familie alles. Aber für einen Fremden rührst du keinen Finger extra. Diese ganze Reise über, hat man schon sehr deutlich gemerkt, dass eigentlich die ganzen Abläufe im Hintergrund geschehen. Wir hatten nie die Möglichkeit irgendetwas selber in die Hand zu nehmen. Sogar das Geld ist uns getauscht worden. Und für unsere chinesischen Handykarten wurde ein Mobiltelefon- Händler ins Hotel gerufen, der dann eine Auswahl mitbrachte, aus der wir wählen durften. (Bei den chinesischen SIM- Karten braucht man keine Pin- Nr.)

Am Straßenrand kaufte ich bei einem alten Ehepaar solche Teigdinger, die die Form eines Brötchens haben, aber ganz weich und mit einer süßen Füllung sind. Die Frau nahm sie direkt von ihrem kleinen Ofen herunter, dann sind sie auch noch schön warm. Ich kaufte mir auch noch ein Paar Schuhe, aus blauen Stoff mit pinken Blumen drauf. Wie ich später herausfand, sind das Schuhe der Bai, eine der Minderheiten hier. Ich konnte den Preis von 20 auf 15 Yuan herunterhandeln. Und an einem Obststand bezahlte ich für 6 Orangen zehn Yuan, einen euro, also viel zu viel. Und wen treffen wir noch zufällig auf der Straße? Jannik mit Begleitung! Sie hatten letzte Nacht den Bus nicht mehr bekommen und mussten deshalb in Fu Gong in einem Hotel übernachten.

Wir waren zu früh am vereinbarten Treffpunkt und sahen den Mathelehrer stolz auf seinem Motorrad sitzen, aber er fuhr ganz langsam an uns vorbei, ohne uns zu bemerken. Ich glaube, er hat nach jemand anderem Ausschau gehalten oder wollte einfach nur ein bisschen rumcruisen. Naja, er kam kurz darauf wieder und entschuldigte sich gleich, dass er zu spät sei. Das Moto mit Carl und mir fährt dem Mathelehrer auf seiner Karre hinterher. Ich bin mal gespannt, wann wir es ohne Hilfe ins Dorf und wieder zurück schafffen. Die Kinder wuseln auf dem Schulhof umher, sie werden gleich nachhause fahren. Aber zuerst muss sich noch in ordentliche Reihen aufgestellt werden. Es wird irgendetwas gerufen was ich nicht verstehe und dann laufen die Kleenen freudeschreiend und lachend aus der Schule.


Wang laoshi (alias Jonny), der Schulleiter unserer Schule "La Jia Mu Di":



Der Mathelehrer ( Anpeng):


Carl und ich am Schultor:


Die nächsten zwei Stunden verbringe ich damit meinen Raum zu einem wohnlichen Zimmer zu machen. Ich befreie die Möbel von Staub und fege den Boden, wobei man Acht geben muss, sonst wirbelt man mehr als man fege kann. Ich habe einen Schreibtisch in meinem Zimmer, hätte ich nicht gedacht und einen Tisch, der jetzt mein Waschtisch ist. Dann habe ich hier noch eine sehr gemütliche Holzbank und einen wackeligen Stuhl, den ich aber sehr mag. Später am Nachmittag haben Carl und ich jeder noch einen sehr großen komfortablen Ledersessel ins Zimmer gestellt bekommen. Bei mir dient er allerdings als die eine Befestigung meiner Wäscheleine. Das andere Ende ist an dem Bettgestell befestigt, welches aufrechtgestellt auch als Halterung für meine Wasserfilter und meinen Wäschebeutel dient. Ich hätte nie gedacht, dass ich ein derart schönes Zimmer haben werde. Die Hitze macht einem ziemlich zu schaffen. Gegen Abend wir dem Englischlehrer seine erste Englischstunde. Er spricht ja bereits ein wenig, ist aber aus der Übung. Wir beginnen damit “Father and Son“ von Cat Stevens zu lesen. Später will ich versuchen rauszubekommen, wie man die Adresse dieser Schule schreibt. Ich sitze 20 Minuten bei dem Mathelehrer und dem Schulleiter und wir diskutieren, wie man das macht. Typisch! Als ich mit dem vermeintlich richtigen Ergebnis unten bei Carl sitze, kommen die zwei nochmal an, um mir die Adresse wieder anders zu geben, lustig! Ich habe keine Ahnung, wie man die jetzt schreibt und ich glaube die wissen es auch nicht.
28. September

Im Moment sitzen wir in einem öffentlichen Bus Richtung Liu Ku. Die Fahrt soll etwa 11 Stunden dauern (es werden 12 daraus) und
meine Tasche muss auf meinem Schoß Platz finden. Das wird anstrengend. Es gibt so viele Mofas wie Fahrräder auf den Straßen, wenn nicht sogar mehr. Oft sieht man die kleinen Kinder, die behütet auf den Armen ihrer Eltern in der Gegend herum geschleppt werden. Das Kind in China ist der Stolz jeder Familie, in ihm liegt die ganze Hoffnung, viel wird hineininvestiert, das Kind wird sich später um seine Eltern kümmern und nach deren Ableben ihren Seelen durch Verehrung Frieden und Ruhe schenken. Wir sind alle relativ ruhig und wortkarg. Es wird für uns allerhand getan und gleichzeitig werden Wunder erwartet. Zwischen den hässlichen neu gebauten Hochhäusern blitzt ab und zu noch ein alter Tempel oder ein traditionelles Haus hervor. Kurz bevor unser Bus Liu Ku erreicht, wird der Bus an einem Kontrollpunkt vor der Stadt angehalten. Man konnte nicht glauben, dass derart viele Ausländer (ganz 13) in einem Bus sitzen, Sehr verdächtig! Ein Offizier (heißen die hier auch so?) steigt in den Bus und will unsere Ausweise sehen. Doch Frau Wang und ihre Tochter reden und fuchtelt mir Papieren so lange, bis er sich mit einem Dokument von Frau Wang zufrieden gibt. Wir kennen es garnicht anders, als das man sich in sein Auto setzten kann, wann immer es einem beliebt und durch im ganzen Land umher tuckern kann, oder einfach weiter in ein anderes Land, wohin auch immer. Die Bewegungsfreiheit in China ist erheblich eingeschränkter. Um das (eigene) Land zu bereisen, benötigt man viele Dokumente. Außerdem muss man sich an seinem jeweiligen Aufenthaltsort bei der dortigen Polizei registrieren, innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft. In Liu Ku wurden wir (natürlich) erstmal zum Begrüßungsdinner geführt. Diesmal auf Einladung der Behörde von Liu Ku. Ich musste erfahren wie tückisch diese mit Speisen beladenen schweren Drehscheiben auf den Tischen sein können. Denn wenn sie sich unter dem Gewicht nur schwer drehen lassen und auch noch glibschig sind, dann kann es passieren, dass man beim drehen mit der Hand abrutscht, womit man nicht gerechnet hat, und das Bierglas seinem Nachbarn über die Hose schüttet. Genau das ist mir passiert, und Martins Hose... Das Hotel ist wieder sehr gut. Nur bei Sabine (jetzt heißt sie Sarah, sa-bi-ne, sind irgendwelche schlimmen Wörter) und Linda hauste eine Maus, die in der Nacht auf Nahrungssuche gegangen war. Nachdem ich meine Wäsche im Waschbecken gewaschen hatte, ich wusste ja nicht, wann dazu das nächste Mal Gelegenheit war, und diese zum Trocknen aufgehangen hatte, kuschelte ich mich zwischen die weichen Hotelkisse, ein letztes Mal. Ach nein, weich war das Hirsekissen nicht.

29. September

Um 9:00 Uhr begann das Meeting. Damit hatte ich nicht gerechnet: Im Konferenzsaal des Hotels fanden sich die Führungspersönlichkeiten die mit unserem Projekt zu tun hatten ein. Darunter auch der Polizeichef des Kreises. Man begrüßte uns herzlich, stellte sich vor, dann stellten wir uns vor. Nachdem ein neunseitiges Manuskript von der Dolmetscherin vorgelesen worden war, wurden uns einige Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben. Herr Wang und Herr Hahl, stellvertretend für uns Freiwillige, unterschrieben den Vertrag. Ein ganz historischer Moment! Dann lernten wir die Schulleiter unserer Schulen kennen. Unser Master heißt Wang. Dies ist ein sehr verbreiteter Name in China. Er ist noch kleiner als ich. Neben Carl scheint er verloren zu gehen. Leider kann er kein Englisch und an unserer Schule gibt es keinen Englischlehrer der übersetzten oder stellvertretend sprechen konnte, so wie bei den anderen Teams. Und mein Chinesisch reichte nicht annähernd für eine Unterhaltung. Für ein paar Minuten kam die Dolmetscherin vorbei, die restliche Zeit verging unter Schweigen mit Blickkontakt und dem obligatorischen Kopfnick- Lächeln. Nach dem Meeting fühle ich mich ausgelaugt und würde am liebsten ein Schläfchen halten. Aber es ist mal wieder ein kleiner Festschmaus angesagt. Man wird geradezu genötigt so viel zu essen bis man platzt. Der Trick ist, einfach so zu tun, als esse man noch, niemals eine Pause machen!
Den restlichen Nachmittag verbringen mit ewiger Warterei. Gegen 17:00 Uhr steigen Jannik & Hanna, Eva & Meike und Carl und ich in einen kleinen öffentlichen Bus. Unser Gepäck muss oben aufs Dach geschnallt werden. Zusammen mit unseren Schulleitern beginnt nun endlich die letzte Etappe unserer Reise.



Die Landschaft am Nu Jiang entlang ist wunderschön: Links und rechts ragen die dunkelgrünen Berge steil nach hoch oben. Die tapferen Bauern dieser Gegend bebauen sogar diese steilen Berghänge. Der Nu jiang schiesst sprudelt durch diese Schlucht und macht seinem Namen alle Ehre. „Nu Jiang“ bedeutet „wütender Fluss“. Jedes Jahr nennt er hunderte Opfer die seinen. An seinem Ufer entlang windet sich die Straße. Ab und zu durchfährt man kleine Dörfer, in denen die Einwohner vor den Türen sitzen, Arbeiten nachkommen oder nur rauchen und Hunden, die aus dem Weg gehupt werden müssen. Gehupt wird hier im übrigen sehr viel, jedes mal wenn eine Kurve kommt, jedes mal wenn jemand am Straßenrand geht und wenn man in der Kurve überholt auch. Die Gesichter blicken gleichgültig dem Bus hinterher. Diese Gegend ist schon sehr arm. Das komischste sind die blankgeputzen Geschäftelchen neben den Müllbergen am Straßenrand. Fürs Geschäft macht man alles (sauber und ordentlich) und im eigenen Lebensraum nichts?! Wieso muss Armut denn immer mit Müll verbunden sein? Entlang der Straße wachsen 20m hohe Bambusplanzen, ihre Spitzen neigen sich schon wieder der Erde. So stehen sie in hübschen Grüppchen zusammen, neben Palmen und anderen Bäumen. Der Reis ist schon reif und seine Blätter ganz gelb. Mir gefallen diese Reisfelder am Besten, weil sie in eleganten Treppen an den Berg angeschmiegt sind.


Nach zwei Stunden erreichen wir Eva und Meikes Schule. Die Schüler und Lehrer stehen vor dem Eingang Spalier, das Gepäck wird den beiden von der Basketballmannschaft, die man unschwer an ihren rot- gelben Trikots erkennen kann, abgenommen.
Als unsere Fahrt weiter geht, bin ich furchtbar aufgeregt. Werden auch wir so herzlich empfangen?
Meine „Sorge“ ist unbegründet:

Links die Buben und rechts die Mädels stehen die Schüler die Eingangstreppe hinauf zur Begrüßung. Die etwas älteren Jungs tragen wichtig unser schweres Gepäck. Als wir die Treppe emporsteigen klatschen die Kinder, nach kurzer Zeit im Rhythmus, bis wir unsere Zimmer erreicht haben. Ich bin schrecklich verlegen und gerührt vor Freude und kann meine Tränen nur zurückhalten, weil ich nicht will, dass die Süßen denken ich sei traurig. Ein Mädchen lächelt besonders herzlich und traut sich mir in die Augen zu schauen. Der Master ( dieser Ausdruck kommt von dem Mathelehrer, der ein paar englische Worte kann) und der Mathelehrer, dessen Namen wir uns nicht merken können, fahren mit uns in einem „Moto“ in das nächste Dorf, natürlich, zum Essen. Ein Moto ist ein Mopet, das ein überdachtes Gestell hinten dranhängen hat, in dem Fahrgäste sitzen können. Also eine Art Taxi. Da nur schwer abzuschätzen ist, wie viel man bekommt, wenn man vor einen Kühlschrank mit Gemüse und Fleisch gestellt wird und gesagt bekommt wähle alles aus, was du essen möchtest, vor allem wenn man nicht weiß wie die Zubereitung von chinesischen Gerichten abläuft, bestellt man viel zu viel. Das war mir sehr unangenehm! Das Restaurant gehört zu der Sorte, die ich in Deutschland nie betreten hätte. So abgeranzt und ärmlich. Aber zu meiner Überraschung ist das Essen sehr gut. Hier ist eben alles anders. Außerdem freut man sich über den Tee und das Essen sehr, denn dann muss man nicht hungrig ins Bettchen gehen. Ich war sehr erleichtert als die Reste eingepackt und mitgenommen wurden. Anschließend wurde uns die Möglichkeit geboten in einem Hotel zu duschen. Wir wurden sogar gefragt, ob wir die ersten Nächte dort schlafen möchten und nicht in der einfachen Schulunterkunft. Ich lehnte wehemennt ab, denn ich konnte ir kein schöneres Zimmer als das meinige vorstellen! Das Hotel war sehr schäbig und dreckig. Die Duschen befanden sich im nach Abfällen und Urin stinkenden Innenhof. Drei Holzverschlagtüren, dahinter kleine einst weiß gefließte Räume, jetzt, sogar im dürftigen Glühbirnenlicht, gelblich bis braun bis schwarz. Der Uringeruch nahm noch mal zu. Wenn man noch keine Pilze hat, dann hereinspaziert! Da ich mein Handtuch vergessen hatte, konnte ich leider, oder vielmehr glücklicherweise, nicht duschen. Ich glaube nicht dass man in diesem Ding sauberer rauskommt, als man reingegangen ist. Carl wagte es trotzdem. Das Wasser sei wohl in Ordnung, nur gäbe es nie genug Seife um gegen den Gestank anzukommen. Ich sags ja!

Sonntag, 30. November 2008

27. Septmeber

Wir sind in Kunming angekommen. Jetzt sitze ich im Hotel auf der Treppe, die an den langen Balkon grenzt, der wiederum in einem Innenhof liegt. Eine kleine Oase ist das hier, mit vielen Bäumchen und Pflanzen und einem kleinen Bächlein, über den eine winzige Brücke führt, bei der ich mir nicht sicher war, ob ich nicht das Gleichgewicht verlöre, wenn ich mit meinem riesen Rucksack darüber schwanke. Gegenüber dem Hotel, in dem wir wohnen, innerhalb der Oase sind Wohnungen, wie ich annehme. Fast jedes Fenster hat Gitter vor dem Glas, Kleidungsstücke werden zum Trocknen aufgehangen, viel zu große Gardienen schützen vor meinem neugierigen Blick und außen auf den verrosteten Festerbänken hat man kleine und größere Palmen gestellt.

Eine Frau und ein Mann haben uns vom Flughafen abgeholt. Sie, Mrs Wang, ist eine gute Freundin von Frau Qian und arbeitet im Social Development Department der Provinzregierung von Yunnan. Er, Mr. Duan, ist ihr Chef. Mit einem viel zu kleinen Bus wurden wir dann hierhergebracht. Die Straßen sind zwar voller Autos und Kleinbussen, aber der Verkehr ist dennoch nicht so chaotisch, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.
Die Mitarbeiter vom Social Development Department laden uns zu einem Begrüßungsessen ein.
Das Restaurant ist sehr groß, mit hohen Decken, einer aufwendig gestalteten Bühne und einem Balkon im oberen Stockwerk, wo man ungestört zu zweit oder zu viert essen kann, wenn man möchte, denn die anderen Tische, und das ist typisch für dieses Land, sind große runde Tafeln für 10-12 Personen. Da passen viele Speisen drauf, in unserem Fall bestimmt über 20 verschiedene Gerichte, die auf einer ebenso großen Dreh- Glasplatte stehen, damit jeder alle Gerichte bequem erreichen kann, und es ist immer laut und lustig. Auch hier durchfließt ein kleiner künstlicher Bach die Szenerie.


Wir trinken Bier, aber das angedrohte große Gesaufe findet nicht statt. Der Vorstand vom SDD und Frau Wang kommen nur ab und zu an unseren Tisch stoßen mit uns an. Auf der Bühne führen verschiedene Minderheiten aus Yunnan traditionelle Tänze auf. Eine dieser Frauen verteilt ein an einem Goldbändchen hängendes Herz an uns Freiwillige.


Durch einen leichten Nieselregen schlendern wir, ein Zigarettchen rauchend, durch die geschäftigen Straßen, von Neolicht hell erleuchtet, zurück zum Hotel.
26. September

Das erste was ich von China aus dem kleinen Flugzeugguckloch erblicke ist eine Flussbiegung, von der Form eines „S“ und Hügel und Berge, die sich im Morgendunst farblich abgestuft von einander abheben, dunkelgrün, graugrün, dann fast weiß.
Die Sonne geht grade auf, ich beginne mein Leben in China mit einem ganz frischen unberührten Tag. Es kann alles passieren.




Am Flughafen von Beijing mussten wir unser Gepäck erst abholen um es dann gleich wieder neu einzuchecken, ich verfluche meine schweren Taschen. Bei der Pass- und Visakontrolle guckt der Beamte sehr genau. Man wird eingeladen seine Dienste zu bewerten: vier Knöpfe- vier Stufen Als wir aus der Eingangstür treten empfängt uns eine angenehm kühle und frische Morgenluft, einige Häckelwolken liegen über dem hellblauen Himmel. Taxis kommen an, laden Fahrgäste aus und ein, brausen wieder davon, die Reinmachefrau fegt ununterbrochen den Boden, alles sieht sehr sauber aus. Die gepflegten Blumenbeete sind bestimmt auch noch Überbleibsel der Olympischen Spiele. Ich denke mir, dass das wohl noch nicht "mein" China ist. Doch, ein Teil. Aber eben nur ein Teil.